In diesem Beitrag sprechen wir über Pacing, also das Erzähltempo.
Das ist eine Fähigkeit, mit der sich Neuautoren oder Anfängerautoren oft nicht sehr intensiv beschäftigen.
Wenn du viel liest – was du hoffentlich tust, wenn du Bücher schreiben willst – hast du das Pacing zwar schon verinnerlicht. Aber wie viele andere Schreibtechniken setzt du es vermutlich noch unbewusst und manchmal auch etwas unbeholfen ein.
Der erste Eindruck zählt
Pacing begegnet dir bereits beim ersten Aufschlagen eines Buches. Schon der Buchsatz verrät dir viel:
- Wie groß ist die Schrift?
- Wie viele Abstände gibt es?
- Wie viel weißer Raum ist vorhanden?
- Wie beginnen die Kapitel?
All das vermittelt dir sofort einen Eindruck, wie anstrengend es werden wird, dieses Buch zu lesen.
Ist der Text vollgepackt und kleingeschrieben, mit kaum Weißraum dazwischen? Dann weißt du schon: "Uh, da kommt beim Lesen Arbeit auf mich zu."
Ist es dagegen luftig gestaltet, mit vielen Lücken? Dann ist es vermutlich Unterhaltungsliteratur.
Geschichten erzählen ist eine Achterbahnfahrt
Am einfachsten ist es, wenn du dir das Erzähltempo wie eine Achterbahn vorstellst. Es geht mal hoch, dann wieder runter, erneut hoch, erneut runter – und genau das solltest du mit deinem Leser auch machen.
Nimm ihn mit auf eine Achterbahnfahrt mit.
Verschiedene Autoren, verschiedene Tempi
Es gibt natürlich auch Autoren mit unterschiedlichen Grundtempos.
Nimm zum Beispiel Charlotte Link – man nennt sie die "Meisterin der langsamen Spannung". Ihre Bücher sind sehr gut, aber das mit der langsamen Spannung ist bei ihr Programm.
Sie hat eine Art zu schreiben, die unglaublich langsam ist. Wenn in einer Szene etwas angedeutet wird und du weiterliest, weil du wissen willst, wie es dort weitergeht, kann es durchaus zwei Stunden dauern, bis du die Auflösung bekommst. Dazwischen kommen ein, zwei andere Szenen, die auch sehr, sehr lang sind.
Das muss man mögen. Ich persönlich liebe ihre Bücher, aber manchmal verspüre ich dann auch wieder Lust, etwas zu lesen, das schneller vorwärtsgeht.
Das Genre bestimmt mit
Das Tempo ist oft auch dem Genre geschuldet:
- Ein Thriller wird schneller sein als ein Kriminalroman
- Eine Abenteuergeschichte wird meist schneller sein als ein Liebesroman
Übrigens: Ein Thriller wird nicht dadurch definiert, dass er blutig ist oder viel Action hat, sondern eigentlich dadurch, dass es schnell vorwärtsgeht.
Pacing in deinen Kapiteln
Nehmen wir an, du hast 50 Kapitel in deinem Buch. Dann sollte es dort nicht immer nur Vollgas geben. Du musst deinem Leser auch Gelegenheit zum Durchatmen bieten.
Das kennst du auch aus Filmen: Es ist nicht immer nur Action, Action, Action. Selbst in einem Actionfilm gibt es plötzlich diese Szene, in der der Protagonist sich Zeit nimmt. Vielleicht sitzen die Charaktere in einem Restaurant oder sind auf einem Date.
In meinen Büchern sind Szenen auch gleichzeitig Kapitel, und die haben im Schnitt 1500 Wörter.
Aber es gibt auch massenhaft andere Bücher, die haben ein Kapitel mit 10 Szenen drin. Das heißt, ein Kapitel hat vielleicht 20.000 Wörter. Es ist einfach anders aufgeteilt.
Dafür gibt es kein Richtig, dafür gibt es kein Falsch. Es gibt einfach nur deinen Stil und deine Art, die Geschichte voranzutreiben.
Die Eingabe-Taste ist dein Freund
Du darfst auch mal die Eingabe-Taste drücken, um einen neuen Abschnitt zu machen.
Wie du das machst, ist dir überlassen (deine Geschichte, deine Regeln).
Ich stelle mir das jeweils bildlich vor. Wenn es so etwas, wie einen Schnitt gibt, dann mache ich meist einen Absatz.
Oder wenn ich will, dass etwas explizit zueinander gehört, dann lasse ich es zusammen.
Das ist sehr individuell und auch eine Erfahrungssache.
Wichtig dabei: Denk immer daran, was du mit deinem Pacing beim Leser bewirken willst.
Schnelle und langsame Szenen
Auch wichtig zu wissen: Wenn du den Höhepunkt hast (auf Thriller bezogen den "Endkampf"), dann ist das rasant, dann ist das schnell.
Schnell = kurze Sätze, viele Zeilenumbrüche, weniger Beschreibungen, weniger sensorische Details.
Bei ruhigen Szenen machst du längere Sätze, baust mehr Tiefe, mehr sensorische Details, mehr Beschreibungen ein.
Grundsätzlich gilt: Du unterstützt dein Erzähltempo quasi optisch mit deinem Satzbau.
Pacing anschaulich erklärt
Ich kann verstehen, falls du jetzt womöglich noch ein wenig verwirrt bist. Deshalb mache ich ein Beispiel, dass hervorragend verdeutlicht, was ich meine.
Es stammt von Gary Provost, der 1995 verstorben ist.
Ich habe es aus dem Englischen übersetzt (und so angepasst, dass es einigermaßen Sinn ergibt):
Wenn wir diesen Text jetzt nehmen, jeden Satz auf eine neue Zeile schreiben, ihn zur Seite kippen und dann eine rote Linie entlang der Satzlängen ziehen – was passiert?
Vorne, wo die Sätze alle nur fünf Worte haben, ist die relativ Linie gerade.
Aber hinten, wo wir mit dem Pacing spielen, beginnt diese Schlangenlinie.
Es entsteht ein Bild, das einer Achterbahn ähnelt!
Also schreibe mit einer Kombination aus kurzen, mittleren und langen Sätzen.
Erschaffe einen Klang, der das Ohr deines Lesers erfreut.
Schreibe nicht einfach Worte – schreibe Musik.
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