Wie du mit Wissenslücken deine Leser fesselst

Gian  - März 9, 2025

In diesem Beitrag geht es darum, wie du Leser mit Hilfe von Wissenslücken in deinen Büchern behältst. Oder anders formuliert, um die Kunst der offenen Fragen.

Was meine ich damit? Nun, der Mensch ist von Natur aus ein sehr, sehr neugieriges Tierchen. Das bedeutet, wir sind nicht nur neugierig, sondern wir wollen diese Neugier auch befriedigt haben. Und wenn wir Bücher lesen, dann wollen wir unterhalten werden, wir wollen vielleicht miträtseln, wir wollen, dass es spannend ist. Langweilige Bücher legen wir weg.

Als Autor kann ich das zu meinem Vorteil nutzen, indem ich diese Spannung richtig erzeuge. Und Spannung erzeuge ich mit dem Aufwerfen von Fragen, die der Leser beantwortet haben will.

Große und kleine Fragen

Jetzt müssen wir unterscheiden: Es gibt die großen Fragen und es gibt die kleinen Fragen.

Die großen Fragen sind der Motor unserer Geschichte oder auch das Rückgrat unserer Geschichte. Das ist meist auch die Kernidee, warum das Buch überhaupt geschrieben wurde. Die großen Fragen stehen oftmals auch schon im Klappentext. Sie verkaufen quasi unser Buch.

Große Fragen sind zum Beispiel:

  • Wer ist der Mörder?
  • Was haben diese zwei Handlungsstränge miteinander zu tun?
  • Findet der Protagonist am Schluss des Buches das Amulett?

Die kleinen Fragen passieren auf Kapitel- oder Szenenebene und werden auf dem Weg zum Ende des Buches immer wieder aufgeworfen und laufend beantwortet. Sie sollen den Leser in der Geschichte halten und dafür sorgen, dass er weiterliest.

Nehmen wir als Beispiel einen Krimi: Jemand wurde ermordet, man will wissen, wer der Mörder ist. Aber wenn dieses Buch 500 Seiten hat, ist es schwierig, dieses Rätsel zu lösen, ohne auf dem Weg weitere kleine Fragen einzubauen, die den Leser bei der Stange halten. Sonst wird es dem Leser irgendwann langweilig.

Hooks und Cliffhanger

Du hast bestimmt schon von Hooks und Cliffhangern gehört. Auch das sind offene Fragen.

Der Hook (der Haken) kommt daher, dass man den Leser quasi wie einen Fisch an den Haken kriegen will. Sei es durch das Aufwerfen großer Fragen auf dem Klappentext oder zu Beginn des Buches. Der Hook setzt ein Versprechen für das Buch und sagt dem Leser: "Diese große Frage werden wir im Laufe des Buches beantworten."

Cliffhanger stehen eher am Ende des Buches, von Kapiteln oder Szenen, um den Leser dazu zu bringen, umzublättern und das Buch nicht wegzulegen.

Grundsätzlich werfen aber beide Fragen auf. Hooks ziehen dich in die Geschichte hinein, Cliffhanger bewegen dich zum Weiterblättern.

Hooks in jeder Szene einbauen

Einen Hook solltest du eigentlich in jedem Kapitel, in jeder Szene einbauen – ziemlich zu Beginn, in den ersten paar Sätzen.

Du musst dir vorstellen: Der Leser ist vielleicht noch nicht zu 100% von deinem Buch überzeugt oder ist etwas müde. Er denkt sich: "Ich lese jetzt mal, mal schauen, was da passiert." Es ist wie wenn du im TV zappst. Man wechselt von Kanal zu Kanal und irgendwann interessiert einen etwas. Die ersten paar Sekunden sind entscheidend.

Solche kleinen Hooks sind eigentlich relativ simpel. Machen wir ein Beispiel:

Nehmen wir an, wir haben ein Kapitel, das anfängt und folgender Satz kommt ziemlich zu Beginn:

Sie trug das dunkle Kleid, obwohl sie sich geschworen hatte, dieses Risiko nie wieder einzugehen.

Siehst du, was dieser Satz macht? Er wirft Fragen auf:

  • Warum hat sie sich das geschworen?
  • Welches Risiko?
  • Was hat das dunkle Kleid damit zu tun?
  • Was hat sie früher gemacht?

Schon haben wir vier Fragen aufgeworfen, die der Leser mindestens teilweise beantwortet haben will.

Die goldene Regel: Fragen müssen beantwortet werden

Ein Fehler, den viele angehende Autoren machen, ist, dass sie irgendwelche Fragen aufwerfen und sie dann nicht beantworten – weil sie vergessen, dass sie sie aufgeworfen haben oder weil sie schlecht dokumentieren.

Wenn du ein bisschen Mühe hast, diese offenen Fragen regelmäßig zu beantworten, dann schreib sie dir auf. Notiere dir den Hook und prüfe, ob du ihn später wirklich beantwortest.

Wenn du diese offenen Fragen nicht beantwortest, fühlt sich der Leser betrogen. Das führt dazu, dass die Chancen steigen, dass er kein Buch von dir mehr lesen wird.

Angemessen antworten

Die Frage einfach nur zu beantworten, reicht nicht ganz. Du musst die Frage angemessen beantworten. Du darfst den Leser mit deiner Antwort nicht enttäuschen.

Ich mache ein Beispiel. Hier ist ein Cliffhanger am Ende eines Kapitels:

Forster riss instinktiv die Hände nach oben, als er sah, wie der graue Audi auf ihn zuschoss.

Der Leser soll sich fragen: "Was passiert mit Forster?", umblättern und das nächste Kapitel beginnen.

Jetzt gibt es verschiedene Optionen, diesen Cliffhanger aufzulösen:

Option 1: "Der Audi blinkte links und bog ab."

Option 2: "Im letzten Moment schaffte es Forster, sich mit einem Hechtsprung vor dem heranbrausenden Audi zu retten. Er rollte beiseite, zog seine Waffe und legte an."

Welche Option hältst du für besser? Falls du Option 2 gewählt hast, dann liegst du richtig.

Es ist klar: Wenn wir eine offene Frage aufwerfen und Gefahr suggerieren, dann erwartet der Leser, wenn es weitergeht, dass da auch Gefahr passiert. Wenn jetzt der Audi einfach nur blinkt und links abbiegt, dann ist das in etwa wie diese Clickbait-Überschriften von Boulevardzeitungen.

Wenn der Leser realisiert, dass du ihn mit einem billigen Trick dazu gebracht hast weiterzulesen, dann wird er enttäuscht sein – und im schlimmsten Fall nicht weiterlesen und im allerschlimmsten Fall kein weiteres Buch mehr von dir lesen.

Fazit

Die richtige Dosis von offenen Fragen – sowohl großen als auch kleinen – macht dein Buch unwiderstehlich.

Während die großen Fragen das Rückgrat deiner Geschichte bilden, sorgen die kleinen dafür, dass deine Leser dranbleiben, miträtseln und weiterblättern – oder kurz gesagt: das Buch nicht mehr weglegen.

Ganz wichtig ist, dass wir nicht vergessen, diese offenen Fragen zu beantworten und dass wir keine künstlichen offenen Fragen stellen, die wir dann unbefriedigend beantworten und damit die Leser enttäuschen.

So, das war es für heute. Jetzt wünsche ich dir viel Spaß beim Schreiben!

Neugierig, auf welchem Autorenlevel du bist?

Lerne die 4 Entwicklungsstufen eines Romanautors kennen.

Finde heraus, wo du stehst und wie du besser wirst.
Damit du weißt, was du tun musst, um besser zu werden.

Kapitel oder Szenen – Wo liegt der Unterschied?

Über 

Gian

Es war schon immer mein Traum, Schriftsteller zu sein. Dabei ging es mir nie ums große Geld oder darum, berühmt zu werden. Mich faszinierte die Möglichkeit, mein Leben selbst in der Hand zu haben. Zu entscheiden, wann und wo ich arbeite. Selbstbestimmt zu sein. Ortsungebunden.
2019 habe ich mein erstes Buch bei Amazon veröffentlicht.
Seit April 2022 lebe ich vom Schreiben. Da das in der teuren Schweiz nicht möglich war, haben wir (meine Frau und ich) beschlossen, die Wohnung zu künden und auf unbestimmte Zeit in unseren Campingbus zu ziehen und durch Europa zu reisen.

Das könnte dich auch interessieren: