Charaktere sind das Herzstück jeder Geschichte. Sie sind es, die deine Leser durch dein Buch führen und mit denen sie mitfiebern.
Doch bei der Entwicklung dieser Figuren können einige schwerwiegende Fehler passieren.
In diesem Artikel zeige ich dir die vier häufigsten Fehler, die Autoren bei der Charakterentwicklung machen – und wie du sie vermeidest.
1. Der weiße Raum: Charaktere benötigen eine Umgebung
Ein häufiger Fehler ist es, Charaktere quasi im luftleeren Raum agieren zu lassen. Jede Szene in deinem Buch spielt an einem konkreten Schauplatz, einem Handlungsort. Als Autor ist es deine Aufgabe, diesen Ort für deine Leser erlebbar zu machen – und zwar durch die Augen deiner erzählenden Figur.
Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Figuren oder Erzählperspektiven dein Buch hat. In jeder einzelnen Szene, in jedem Kapitel, hast du normalerweise eine dominante Perspektive. Du befindest dich in einem spezifischen Kopf, und diese Perspektive bestimmt:
- die Meinung
- die Emotionen
- die Sinneswahrnehmungen
- die Interpretation der Umgebung
Ein Beispiel: Ein 15-jähriger Teenager nimmt einen dunklen Wald vollkommen anders wahr als ein 51-jähriger Geschäftsmann, der mit seinem Hund spazieren geht. Diese unterschiedliche Wahrnehmung, diese individuelle Lebenserfahrung, muss sich in deinen Beschreibungen widerspiegeln.
Wichtig: Viele Autoren vergessen, die Umgebung zu beschreiben, weil sie die Geschichte bereits so klar vor ihrem inneren Auge sehen. Aber deine Leser kennen diese Bilder noch nicht – du musst sie für sie erschaffen.
2. Das überflüssige Denken: Streiche die Denkverben
Ein klassischer Anfängerfehler ist das ständige Erwähnen von "denken". Wenn du aus der Perspektive einer Figur schreibst, ist alles, was nicht in Anführungszeichen steht (also keine direkte Rede ist), automatisch das Denken dieser Figur.
Beispiele für überflüssiges Denken:
❌ "Er dachte daran, wie sehr er früher diesen Duft gemocht hatte."
✅ "Er hatte diesen Duft früher sehr gemocht."
❌ "Was tust du da?", dachte sie.
✅ "Was tust du da?"
Das "dachte sie" ist in den meisten Fällen überflüssig und kann sogar vom eigentlichen Inhalt ablenken.
Natürlich gibt es Ausnahmen, wo du das Denken als bewusstes Stilmittel einsetzen kannst:
"Ja", dachte sie. "Nein", sagte sie.
Hier wird der Kontrast zwischen Gedanken und Aussage bewusst hervorgehoben.
3. Der Einheitsbrei: Wenn alle Figuren gleich klingen
Menschen sind sich manchmal ähnlich, das stimmt. Es ist völlig normal, wenn zwei beste Freundinnen einen ähnlichen Sprachstil haben. Aber wenn all deine Charaktere gleich klingen, hast du ein Problem.
Wie du Figuren sprachlich unterscheidbar machst:
- Berücksichtige den Beruf: Ein Arzt sollte einen anderen Wortschatz haben als ein Bauarbeiter oder ein Teenager.
- Verwende charakteristische Wörter: Gib einzelnen Figuren "Signature Words" – Begriffe oder Redewendungen, die nur sie benutzen.
- Sprich-/Denkstil: Formelle versus informelle Sprache, zum Beispiel:
- "Wissen Sie..." versus "Hey, hör mal..."
- "Das ist fein" versus "Das ist lecker"
Unterschiedliches Denken:
Noch wichtiger als unterschiedliche Dialoge ist das unterschiedliche Denken deiner Charaktere.
Nehmen wir eine Situation im Supermarkt: Eine lange Schlange an der Kasse, vorn eine Person, die langsam einpackt und alle aufhält.
Verschiedene Charaktere könnten hier völlig unterschiedlich reagieren:
- Der Gestresste: Innerlich kochend vor Wut
- Die Geduldige: Nutzt die Zeit zum Beobachten
- Der Impulsive: Geht nach vorne und beschwert sich
- Die Zerstreute: Bemerkt die Situation kaum
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4. Die Versuchs-und-Beginn-Falle: Überflüssige Hilfsverben
Ein häufiger Stilfehler ist die übermäßige Verwendung von "versuchen" und "beginnen".
In den meisten Fällen kannst du diese Wörter einfach streichen:
Beispiele für "beginnen":
❌ "Er begann, das Bett zu machen."
✅ "Er machte das Bett."
❌ "Sie begann, hinter ihr herzurennen."
✅ "Sie rannte hinter ihr her."
Beispiele für "versuchen":
❌ "Er versuchte, das Glas zu öffnen."
✅ "Er öffnete das Glas."
❌ "Er versuchte, Abstand zu halten."
✅ "Er hielt Abstand."
Als Faustregel gilt:
- "Beginnen" kannst du in 9 von 10 Fällen streichen
- "Versuchen" kannst du in 7-8 von 10 Fällen streichen
Ausnahme: Wenn das Versuchen wirklich relevant ist und nicht gelingt:
"Er versuchte, das Glas zu öffnen. Es gelang ihm nicht."
Fazit
Die Entwicklung überzeugender Charaktere ist eine Kunst, die viel Übung und Aufmerksamkeit erfordert.
Indem du diese vier häufigen Fehler vermeidest, machst du deine Figuren lebendiger und authentischer:
- Gib deinen Charakteren eine gut beschriebene Umgebung
- Vermeide überflüssige Denkverben
- Schaffe unterscheidbare Stimmen für deine Figuren
- Reduziere unnötige Hilfsverben wie "versuchen" und "beginnen"
Denk daran: Jeder dieser Aspekte kann auch bewusst als Stilmittel eingesetzt werden – aber dann sollte es eine bewusste Entscheidung sein, keine unbedachte Gewohnheit.